Kindergartengebühr frisst „Familienbonus“

Wie schwarz-­blaue Familienpolitik manche Familien begünstigt, statt flexible Kindergartenöffnungszeiten für alle zu ermöglichen.

Mit der schwarz-blauen Landes- und Bundesregierung fließt wieder verstärkt ein rechts-konservatives Familien- und Frauenbild in die (ober-)österreichische Politik ein. Zwar wird das im Jahr 2018 nicht mehr so offen dargelegt wie früher, doch die geplanten Maßnahmen bevorzugen ganz klar die Konstellation Vater-Mutter-Kind, mit tradiertem Bild einer Mutter, die für die Reproduktionstätigkeiten zuständig ist und einem Vater, der das Geld nach Hause bringt. Maßnahmen wie der «Familienbonus» oder die Einführung von Kindergartengebühren setzen Frauen – vor allem jene mit unkonventionellen Erwerbsbiografien – weiter unter Druck. Gerade unter Kulturarbeiterinnen gibt es viele, die für ein geringes Gehalt Teilzeit oder als (Schein-) Selbstständige arbeiten müssen. Die Tendenz ist hier klar steigend.

Leuchtturm

Aber first things first. Für die schwarz-blaue Regierung ist der sogenannte «Familienbonus» ein Leuchtturmprojekt. In einem der ersten Ministerräte nach der Angelobung wurde das Vorhaben verabschiedet und als «größte Entlastung der Familien in der Geschichte Österreichs» gefeiert. Blickt man jedoch auf die Zahlen und die dahinter liegenden Lebensrealitäten zeigt sich schnell, dass zwischen den präsentierten und den tatsächlichen Auswirkungen ein krasser Gegensatz besteht. Ab 1.1.2019 soll der Bonus von 1.500 Euro pro Kind und Jahr ab einem Monatseinkommen von 1.700 Euro brutto voll ausgeschöpft werden können und die Steuerlast entsprechend reduzieren. Österreichweit verdienen 200.000 Frauen unter 1.500 Euro brutto im Monat, davon 60.000 Alleinerzieherinnen, die durch den «Familienbonus» bloß 250 Euro Steuergutschrift erhalten. Der «Familienbonus» ist also eine Umverteilung von Menschen mit niedrigen Einkommen hin zu Gut- und Bestverdienenden. Damit wird auch klar: Kinder sind in dieser Denkweise nicht gleich viel wert, denn ein wesentlicher Teil der unter 18-Jährigen wird also gar nicht oder nur wenig durch den Bonus profitieren. Für die schwarzblaue Regierung sind die Zukunftschancen der Kinder also eine rein private Aufgabe: Pech gehabt, wenn deine Eltern wenig verdienen.

Schlusslicht

Die Kindergartengebühr für die Nachmittagsbetreuung in Oberösterreich hat die gleichen ideologischen Wurzeln. Seit Februar kostet es Eltern 42 bis 110 Euro pro Monat, wenn ihre Kinder auch nach 13 Uhr am Nachmittag betreut werden. Das hat vor allem für Frauen negative Konsequenzen, da sie nach wie vor den Großteil der reproduktiven, unbezahlten Arbeit erledigen. Betroffene müssen sich also entscheiden, für den Kindergarten zu zahlen, die Betreuung im privaten Umfeld zu organisieren oder von Voll- in Teilzeit zu wechseln. Schon heute arbeitet über die Hälfte der Frauen in Oberösterreich Teilzeit (51,2 Prozent). Ein Grund dafür ist der eklatante Mangel an Kindergartenplätzen mit flexiblen Öffnungszeiten. Zum Vergleich: In Wien – Spitzenreiter bei Anzahl und Öffnungszeiten der Kindergartenplätze – liegt die Teilzeitquote von Frauen bei 40,9 Prozent. Das hat natürlich immense Auswirkungen auf das Einkommen der Frauen: In Wien liegt der Einkommensunterschied bei immer noch zu hohen 21 Prozent, in Oberösterreich, dem bundesweiten Schlusslicht, bei über 31 Prozent. Eigentlich sollte Gegenteiliges der Fall sein: Stünde ökonomische Nachhaltigkeit auf der politischen Agenda von Schwarz und Blau in Oberösterreich, müssten sie in den Ausbau von Betreuungs- und Bildungsangeboten setzen. Zum einen sind im Schulbereich Investitionen von einer halben Milliarde nötig, denn jede 3. oö. Schule ist sanierungsbedürftig. Zum anderen bringen laut einer Berechnung der JKU für Wirtschafts- und Arbeiterkammer Investitionen in den Kindergarten einen Kosten-Nutzen Faktor von 1:30. Jeder investierte Euro kommt somit direkt bzw. indirekt 30 mal ins Landesbudget zurück. Investitionen im Bildungsbereich sind also nicht nur aus einer gesellschaftspolitischen Dimension von großem öffentlichem Interesse, sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll.

Schlusslicht frisst Leuchtturm

In Oberösterreich konterkarieren sich die beiden Maßnahmen «Familienbonus» und Kindergartengebühr. Das Geld, das durch den Familienbonus in die Taschen der Familien kommt, wird durch die Kindergartengebühr wieder weggenommen. Hier drei Beispiele von Kulturschaffenden aus dem Umfeld der Redaktion. Zahlen und Wohnort wurden geringfügig geändert.

Familie A

Ein Elternteil arbeitet für einen kleineren Kunstbetrieb und verdient 1.300 Euro, der andere Elternteil arbeitet für eine große Institution und verdient 2.400 Euro. Familie A hat ein Kind und liegt mit einem Gesamteinkommen von 3.700 Euro brutto im oberösterreichischen Median. Durch den «Familienbonus» erhält Familie A 1.500 Euro im Jahr. Da sie aber in einer Gemeinde lebt, in der die maximalen Kindergartengebühren anfallen, muss sie jährlich dafür 1.320 Euro ausgeben. Vom «Familienbonus» bleiben somit 180 Euro, oder 15 Euro monatlich.

Familie B

Beide Elternteile arbeiten für kleinere Kunstbetriebe und Spielstätten. Sie kommen so gemeinsam auf ein monatliches Einkommen von 3.150 Euro brutto. Elternteil 1 verdient 1.750 Euro, Elternteil 2 1.400 Euro. Familie B kann sich durch den «Familienbonus» (dieser berechnet sich auf Basis des höheren Einkommens) über 1.500 Euro mehr im Jahr freuen. Familie B hat zwei Kinder, eines davon noch im Kindergartenalter, eines ist schon erwachsen. In der Gemeinde, in der die KulturarbeiterInnenfamilie lebt, fallen für die Nachmittagsbetreuung die durchschnittlichen Gebühren von 76 Euro im Monat, sprich 912 Euro jährlich an. Familie B hat abzüglich der Ausgaben für den Kindergarten somit einen Bonus von 588 Euro pro Jahr.

Familie C

Die Kulturschaffende ist Alleinerzieherin und kommt durch ihre Arbeit auf ein Einkommen von rund 1.200 Euro brutto. Sie bekommt dadurch jährlich 250 Euro als Steuergutschrift. Auf Grund ihrer Arbeitszeiten ist sie für ihr 4-jähriges Kind auf die Kinderbetreuung angewiesen. Sie lebt in einer Gemeinde, die mit 42 Euro monatlich den niedrigsten Tarif vorschreibt. Kulturschaffende C hat dadurch Mehrkosten von 246 Euro jährlich.

Gerade in Zeiten in denen Erwerbsbiografien immer unkonventioneller werden, sind Investitionen in Rahmenbedingungen somit sinnvoller als Steuererleichterungen für SpitzenverdienerInnen. Die Logik der schwarz-blauen Familienpolitik scheint aber: Wer weniger verdient, soll in Zukunft mehr bezahlen.

 


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